epd-Gespräch: Michael Grau
Hannover (epd). Landesbischof Ralf Meister aus Hannover hat den Anschlag auf die französische Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" am Donnerstag scharf verurteilt. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) betont der evangelische Theologe, dass die Morde an den Karikaturisten die Kunstfreiheit nicht beeinträchtigen dürften. Zugleich müssten jetzt die Christen den Muslimen zur Seite stehen. Meister ist Ratsvorsitzender der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen
epd: Herr Meister, das Attentat in Paris hat Europa und die Welt erschüttert. Werden Muslime jetzt unter Generalverdacht gestellt?
Meister: Das ist zu befürchten. Die Pegida-Demonstrationen sind ein Beispiel für substanzlose generelle Verdächtigungen.
epd: Fürchten Sie auch, dass der Anschlag der Pegida-Bewegung neuen Auftrieb gibt?
Meister: Ich hoffe nicht. So lange Gegendemonstrationen ein deutliches Zeichen für Offenheit und Toleranz geben und sich gegen generelle Ausgrenzungen stellen, bin ich hoffnungsvoll, dass die Pegida-Bewegung nicht die gesellschaftliche Stimmung dominiert oder das Ansehen Deutschlands im Ausland beschädigt.
epd: Wie können Christinnen und Christen die Muslime unterstützen?
Meister: Öffentlich müssen wir enger zusammenstehen. Jede Form der Verdächtigung oder Unterstellungen müssen zurückgewiesen werden. Gemeinden können Dialog-Veranstaltungen anbieten, wie es sie vielfach schon gibt, oder demonstrativ die Moschee vor Ort besuchen. Auch ein gemeinsames Essen im Gemeindehaus kann ein Zeichen setzen. Zugleich müssen wir offener über Ängste und Sorgen sprechen, die Christen wie Muslime vor dem radikalen Islamismus haben.
epd: Darf es bei Karikaturen über Religion Grenzen geben oder wiegt das Gut der freien Meinungsäußerung schwerer?
Meister: Unsere Kultur hat das Gut der freien Meinungsäußerung in Jahrhunderten sowohl den weltlichen wie auch den religiösen Machthabern abgetrotzt. Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit und Kunstfreiheit sind für mich Errungenschaften, die nicht infrage gestellt werden dürfen. Ebenso wenig wie die Religionsfreiheit. Das schließt auch ein, dass Menschen Respekt vor religiösen Gefühlen fordern dürfen. Die Balance dieser Grundrechte muss von einer Gesellschaft immer wieder eingeübt werden.