Loccum (ade). Der Braunschweiger Künstler Jean Luc zeigt unter diesem Titel eine Auswahl seiner Collagen.
Es war sein Unvermögen, sich in der deutschen Sprache auszudrücken, über Gefühle zu reden, Diskussionen zu führen, die Jean Luc in den 1980er Jahren dazu brachte, eine neue Ausdrucksform zu wählen. Er, der französischsprachige Schweizer, hatte sich genügend Kenntnisse angeeignet, um in dem Land, in dem er nun lebte – Deutschland – den Alltag gut bewältigen zu können. Für vieles andere, was er aber mitteilen wollte, reichte das nicht aus. Und gerade in jener Zeit hätte er gerne und viel auch über existenzielle Fragen geredet. Denn die Zeit, in der er begann, sich über Kunst auszudrücken, fiel mit jener zusammen, in der er die Diagnose HIV-positiv bekam. Zehn Jahre folgten, erzählt er, in denen er nie wusste, ob er noch länger als einige Monate zu leben habe. Doch er habe Glück gehabt – heute nehme er eine Tablette am Abend und dann gehe es ihm gut.
Nahezu beiläufig erzählt er seine Geschichte beim Rundgang entlang der Bilder auf den Fluren des RPI, erzählt auch davon, dass er zu Beginn seiner Berufslaufbahn Lehrer war, dann einen Friedens- und Entwicklungsdienst leitete, Jahre auch in Afrika verbrachte und in Braunschweig schließlich Mitarbeiter der Aids-Hilfe wurde. Ehrenamtlich arbeitet er – Jahrgang 1946 - in diesem Bereich immer noch und widmet sich ansonsten seiner Kunst.
Diese Kunst besteht ausschließlich aus Collagen. Kataloge, Zeitschriften, in erster Linie aber Bücher, sagt er, nutze er, um diese Collagen zu erstellen. Kaum ein Bildband in seiner Wohnung sei vollständig – daraus sammle er schließlich die Einzelteile, die er später zu seinen Bildern zusammenstelle.
Surreal ist sehr vieles von dem, was dann entsteht. Die Surrealisten, sagt er, hätten ihn seit seiner Jugend fasziniert. Und so setzt er Fragmente aus vielen Bildern zusammen, schiebt sie umeinander, sucht die richtigen Motive, die passenden Farben und schafft so Bilder mit ganz eigenen Aussagen, für die er sich aus den Werken anderer bedient hat.
Im RPI hat Jean Luc mehrere Serien aufgehängt. Eine befasst sich mit der Rückeroberung der Landschaft in unserer Welt. „Engpässe“ nennt er eine andere. Der Glaube spielt – auch – eine Rolle in dem aus 40 kleinformatigen Collagen bestehenden Bild, das nahezu am Anfang der Ausstellung eine ganze Wand füllt. „Gefühls-Fragmente“ hat er diese Wand betitelt. Die 40 Bilder seien aber nur ein kleiner Ausschnitt des Ganzen, fügt er hinzu. Gerade sei er in Verhandlung darüber, ob seine Gefühls-Fragmente mit insgesamt 200 Bildern in eine Kölner Kirche kommen sollen.
Faszinierend ist jedes der Werke im RPI und jede der 80 Collagen verlangt Aufmerksamkeit. Verstörend wirkt das Bild mit dem nur in Teilen vorhandenen Gesicht, dessen Auge Jean Luc herausgeschnitten hat, um ein neues Auge durch das Muster eines Sofakissens entstehen zu lassen. Irritierend ist der Truthahn, an dessen Schnabel ein Embryo zu hängen scheint. Oder der stilisierte Teufel, der an einem entflammenden Teppichklopfer hängt. Kurzum: Es gibt viel zu sehen, viel zu entdecken und vieles, was zum Nachdenken anregt in dieser Ausstellung von Jean Luc.
Die Ausstellung „Suchen ohne Ankommen“ ist bis zum 8. Dezember 2019 im RPI Loccum zu sehen. Geöffnet ist montags bis freitags, 9 bis 18 Uhr, an den Wochenenden von 9 bis 12 Uhr.
Text und Foto: Beate Ney-Janßen