Wie macht man Kindern Lust darauf, eine Kirche zu erkunden? Wie erzählt man biblische Geschichten so, dass sich die jungen Zuhörerinnen und Zuhörer davon verzaubern lassen? Wie geht man damit um, dass in einer evangelischen Kindertagesstätte auch viele Kinder sind, die einen anderen Glauben haben?
Um diese und viele andere Fragen ging es in den vergangenen anderthalb Jahren bei der Langzeitfortbildung, die gemeinsam vom Diakonischen Werk evangelischer Kirchen in Niedersachsen und dem Religionspädagogischen Institut Loccum (RPI) verantwortet wird. 19 pädagogische Fachkräfte, die in evangelischen Kindertagesstätten in ganz Niedersachsen arbeiten, nahmen an sechs mehrtägigen Modulen im RPI Loccum teil. Im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes erhalten sie nun ihre Zertifikate vom Diakonischen Werk und vom RPI Loccum. Damit halten sie den Beweis dafür in den Händen, was sie in den vergangenen Jahren gelernt und geleistet haben. Im Fokus der berufsbegleitenden Fortbildung standen Themen wie kindliche Gottesbilder und die religiöse Entwicklung von Kindern sowie die Fragen nach kindgerechten Ausdrucksformen des Glaubens. „Unser Ziel ist es, das evangelische Profil in Kindertagesstätten zu stärken“, sagt Fachberaterin Ina Seidensticker vom Diakonischen Werk Niedersachsen. „Und unsere Teilnehmer wissen: Sie sind in den Kitas nun die ‚Hüterinnen des Themas‘.“ Was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei an eigener Frömmigkeit mitbringen, ist ganz unterschiedlich. „Die Bandbreite ist groß“, beschreibt es Gert Liebenehm-Degenhard, am RPI zuständig für die Elementarpädagogik. „Aber am Thema interessiert sind alle. Das ist eindrucksvoll!“
Die Fortbildung hat ein doppeltes Ziel: Es geht nicht nur um die Stärkung der Kompetenz der Fachkräfte, sondern auch darum, die religionspädagogische Arbeit in Kindertagesstätten insgesamt weiterzuentwickeln. So betont Gert Liebenehm-Degenhard: „Wir haben immer unter drei verschiedene Perspektiven auf jedes einzelne Thema geschaut: Wie ist mein eigener Zugang? Was bedeutet das, was ich hier lerne, für die religiöse Bildung in der Kita? Welche praktischen Ideen habe ich für die Umsetzung? Das war manchmal ganz schön anspruchsvoll“, fügt er hinzu und lacht dabei.
Doch die Mühe hat sich gelohnt: „Jedes Mal, wenn ich aus Loccum wieder nach Hause gefahren bin, hatte ich einen Koffer voller Ideen dabei“, beschreibt Julia Wissing, Sozialpädagogin in der Kita Spatzennest in Hassel, diese Erfahrung. „Die konnte ich dann alle ausprobieren. Ich weiß noch, dass ich früher Scheu hatte, biblische Geschichten in der Kita zu behandeln. Hier in Loccum habe ich da einen ganz neuen Zugang gefunden und ganz viele Methoden an die Hand bekommen – etwa Bodenbilder oder Rollenspiele.“ Die Kinder seien begeistert: „Den Turmbau zu Babel, den lieben alle. Ist doch klar, dass wir den Turm in der Kita dann auch selbst nachgebaut haben.“
Für Susanne Kahmann von der Kita St. Pauli in Holzminden war der persönliche Höhepunkt dieser Fortbildung die Kirchenpädagogik. Die Erfahrung in Loccum habe ihr geholfen, auch in ihrer eigenen Kirche zuhause ganz neue Details zu entdecken: „Kirchen sind ein Schatz. Das will ich an die Kinder weitergeben. Mir ist wichtig, dass sie eine Kirche als einen Ort kennenlernen, wo man Gott begegnen kann.“ Deshalb hat Susanne Kahmann ihr eigenes Projekt, das jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin entwickeln musste, selbstverständlich auch diesem Thema gewidmet: „Gemeinsam mit dem Team und mit den Kindern haben wir die Kirche erkundet. Wir sind auf den Kirchturm geklettert, die Kinder durften Orgel spielen und wir haben Kirchenfenster untersucht.“ Susanne Kahmann gerät richtig ins Schwärmen: „Am Ende haben die Kinder mit einer speziellen Folie eigene Kirchenfenster gestaltet. Die Sachen sind so toll geworden, kaum zu glauben.“
Julia Wissing wiederum hat ihr Projekt unter das Thema „Segen“ gestellt. In ihrer Kita spenden sich die Kinder den Segen inzwischen gegenseitig. In einem großen Segenskreis zeichnen sie sich mit Duftöl ein Symbol in die Hand und sagen „Sei behütet!“ oder sprechen sich einen anderen guten Wunsch zu. Auch das ist eine Idee, die Julia Wissing aus Loccum mitgenommen hat.
Wichtig geworden ist in dieser Zeit zudem der Austausch in der Gruppe. „Das war unglaublich wertschätzend und hilfreich“, sagt Susanne Kahmann. „Wir konnten hier unsere eigenen Erfahrungen erzählen und aufarbeiten. Zum Beispiel beim Thema Tod und Trauer in der Kita. Als aus meiner Kita vor vielen Jahren ein Kind starb, war ich völlig überfordert. Heute würde ich mich da vorbereitet fühlen – und wüsste auch, wo ich nochmal nachlesen und welche Materialien ich einsetzen könnte.“
Dass sie nun viel mehr Sicherheit gewonnen haben, das ist beiden am Ende der Langzeitfortbildung sehr wichtig. „Früher war ich mir zum Beispiel in der Weihnachtszeit immer unsicher“, gibt Julia Wissing zu. „Ich habe mich gefragt: Kann ich wirklich vom Glauben an den neugeborenen Retter Jesus erzählen, wenn ich viele muslimische Kinder in der Gruppe habe? Inzwischen sage ich, was ich glaube – um dann mit den Kindern gemeinsam zu überlegen, was im Islam anders ist!“
Text: Michaela Veit-Engelmann / RPI Loccum
im November 2019