Es ist mittlerweile schon fast eine Tradition: An der Paul-Gerhardt-Schule gestalten Schüler*innen des Jahrgang 12 eine Gedenkveranstaltung für den Jahrgang 11 anlässlich des Holocaust Gedenktag am 27. Januar.
In diesem Jahr ist es ein besonderes Datum, jährt sich doch der Anlass dieses Tages, die Befreiung des KZ Auschwitz, zum 75. Mal. Daher hatten sich die Schüler*innen auch etwas Besonderes einfallen lassen: Nicht in der Schule, sondern in der Stadt Dassel, genauer gesagt an den Stätten, wo Menschen jüdischen Glaubens gelebt und gewirkt hatten, bauten die Gymnasiast*innen ihre Stationen auf.
„Auschwitz steht stellvertretend für alle Opfer des Holocaust und wir wollen darauf aufmerksam machen, dass die Verbrechen nicht irgendwo an irgendwelchen namenlosen Opfern begangen wurden, sondern dass es unsere Nachbarn waren, die Leidtragende von Ausgrenzung, Gewalt, Deportation und Mord wurden“, so die Veranstalter bei der Begrüßung des Jahrgangs 11.
Der Seminarkurs hatte sich unter der Leitung ihres Lehrers Alexander Liebig zuvor mit der Geschichte der jüdischen Nachbarn auseinander gesetzt. Drei Wohn- und Geschäftshäuser jüdischer Mitbürger*innen, das ehemalige Bethaus am Kirchplatz und der jüdische Friedhof dienten als stumme Zeugen der jüdischen Vergangenheit Dassels, die mit der Deportation der letzten jüdischen Nachbarn 1942 endete.
Den Weg von der Paul-Gerhardt-Schule in die Dasseler Innenstadt hatten die Schüler*innen am Tag zuvor in einem „Walk of Shame“ verwandelt: 100 Anordnungen und Gesetze der Jahre 1933-1943, die die jüdischen Mitbürger*innen ausgrenzten, beraubten und schließlich ermordeten, hatte der Projektkurs ausgedruckt und in chronologischer Reihenfolge auf die Gehsteige geklebt.
Inhaltlich setzten sich die Schülerinnen mit den Themen Nachbarschaft, Ausgrenzung, und Auswanderung auseinander. In der St Laurentius Kirche inszenierte eine Gruppe eine Szenische Lesung, die die Deportation der Familie Steinberg im Jahre 1942 aufgriff und am ehemaligen Bethaus gedachten die Schüler*innen mit dem jüdischen Gebet „El male rechamim“ den Opfern der Shoa. Auf dem jüdischen Friedhof reflektieren die Schüler*innen zu Klängen von Klezmer Musik, die zwei Schülerinnen des 10. Jahrgangs mit Klarinette und Posaune einstudiert hatten, den Umgang mit den Zeugnissen der jüdischen Vergangenheit und mussten feststellen, dass es um diesen nicht gut bestellt ist. Das Gräberfeld ist in einem schlechten Zustand.
Trotz des kalten und regnerischen Wetters war der Kurs zufrieden mit der Veranstaltung. „In der Rückschau hätte man bestimmt das eine oder andere noch besser rüberbringen können, aber im Großen und Ganzen hat alles gut geklappt und der Jahrgang 11 hat super mitgearbeitet und tolle Ideen zu unserem Themen gehabt“, so das selbstkritische Urteil der Schüler*innen.
Gedenken und Erinnern an den Holocaust wird den Seminarkurs auch weiter begleiten: Die im Herbst stattfindende Kursfahrt führt die Schüler*innen nach Krakau und Auschwitz, wo auch die Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur im Mittelpunkt stehen wird.
Alexander Liebig
Januar 2020