Als Sachverständigengremium mit bis zu 15 Expertinnen und Experten aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Wissenschaft berät das Bundesjugendkuratorium (BJK) die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Kinder- und Jugendhilfe und in Querschnittsfragen der Kinder- und Jugendpolitik. Dabei werden junge Menschen in geeigneter Weise in die Beratungen einbezogen.
Aktuell gibt es zahlreiche Akteur*innen, die nach kreativen und kinder- und jugend-gerechten Lösungen sowie Arrangements suchen, mit denen die notwendigen sozialen Alltagsbedingungen junger Menschen und ihrer Familien in dieser Krise umgesetzt und die Einschränkungen in den öffentlichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungseinrichtungen sowie öffentlichen Räumen möglichst ausgeglichen werden können. Es ist z. B. bemerkenswert, welche Leistungen die Fachkräfte in den Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erbringen, auch wenn sie in den Benennungen der kritischen Infrastrukturen nie genannt werden.
Das Bundesjugendkuratorium möchte sich darum bei allen Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien sowie bei allen, die diese in unserer Gesellschaft und in der Politik unterstützen, bedanken, dass sie unter Einhaltung aller Gesundheitsvorkehrungen diese Krise bewältigen helfen.
Es ist eine Ausnahmesituation, in der wir uns gerade befinden. Der Alltag von Kindern und Jugendlichen und Familien wird schon allein durch die vorübergehenden Schließungen von Kindertagesstätten und Schulen, öffentlichen Räumen sowie Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit grundsätzlich umstrukturiert. Insbesondere Kommunen und freie Träger sowie Schulen befinden sich gerade im Krisenmodus und versuchen unter den gegebenen Bedingungen soweit wie möglich – angesichts der wichtigen Gesundheitsvorkehrungen zulässig – erforderliche Angebote aufrechtzuerhalten.
Viele Familien erleben diese Situation als einen abrupten Bruch in den verlässlichen Infrastrukturen der Kinder- und Jugendhilfe und Schulen. Sie fühlen sich vereinzelt auch allein gelassen, und wissen nicht alle, wie sie nunmehr den Alltag und die Betreuung der Kinder und Jugendlichen gestalten sollen. Wir alle lernen gegenwärtig jeden Tag neu, wie wir mit dieser Situation umgehen sollen. Familien und Schulen müssen z. B. Homeschooling unter Hochdruck für sich erfinden. Wir brauchen und erfahren insgesamt eine große Solidarität der Menschen untereinander. So erleben wir eine große Bereitschaft unter den gegenwärtigen herausfordernden Bedingungen den Alltag mit Kindern und Jugendlichen trotzdem abwechslungsreich und verlässlich zu strukturieren. Viele junge Menschen engagieren sich zudem mit kreativen Hilfsangeboten für besonders betroffene Gruppen und leisten einen wichtigen zivilgesellschaftlichen Beitrag zur Bewältigung der Krise. Dies ist eine positive Erfahrung, die viele Menschen gegenwärtig machen. Dabei ist es grundlegend, die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auch in die Gestaltung der Übergangslösungen einzubeziehen und mit ihnen „Corona“ und die Folgen zu begreifen.
Es ist aus Sicht des Bundesjugendkuratoriums insgesamt wichtig, dass die Schließung der öffentlichen Einrichtungen von jungen Menschen und Familien nicht als Rückzug der Kinder- und Jugend- sowie Bildungspolitik aus der Unterstützung der Kinder, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien erlebt wird.
Grundlegend ist, dass die jungen Menschen sowie Familien erfahren, dass mit ihnen Perspektiven in der Alltagsgestaltung gesucht und gefunden werden. Gerade gegenwärtig ist die Kinder- und Jugendpolitik und sind die Fachkräfte in den Einrichtungen gefordert – auch unter diesen eingeschränkten Bedingungen – mit den jungen Menschen und Familien Übergangslösungen zu finden, die den Ansprüchen dieser Krise gerecht werden.
Es ist eine der größten Herausforderungen für die kommunale Kinder- und Jugendpolitik, die Bildungspolitik in den Ländern sowie die Bundespolitik jetzt innovative Wege zu finden, um junge Menschen und Familien zu unterstützen.
Jetzt brauchen wir eine aktive Kinder- und Jugendpolitik, die in dieser Krise für junge Menschen und mit ihnen sowie ihren Familien einen kinder- und jugendgerechten Alltag organisiert. Hier sind innovative – gerade auch digitale – Wege gefordert.
Dafür braucht es vor Ort niedrigschwellige, barrierefreie Ansprechstellen für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien – vor allem online. Zusätzlich müssen hierbei neue und bereits bestehende Herausforderungen des Kinder- und Jugend(medien)schutzes ernst genommen und zeitnah Lösungen gefunden werden. Es muss Unterstützung für Familien sichergestellt sein, die aus ganz unterschiedlichen Gründen keine Betreuung organisieren können. Es kann nicht vorausgesetzt werden, dass dies selbstverständlich gelingt. Hier gilt es auch zielgruppenspezifische Informationen und Angebote, z. B. für wohnungslose junge Menschen, junge Menschen in Pflegefamilien, stationären Einrichtungen der Erziehungshilfe oder in Wohngruppen, zu identifizieren und bereitzustellen.
Zudem sollten nicht die Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen vergessen werden, die gerade auf der Flucht sind, und für die eine Schließung der Grenzen eine ganz andere Bedeutung hat und deren ohnehin prekäre Situation sich nun auf drastische Weise weiter verschärft. Auch diese Herausforderungen der Kinder- und Jugendpolitik dürfen in diesen Zeiten nicht übergangen werden.
Notwendig sind auch finanzielle Unterstützungen für junge Menschen und Familien, die jetzt angesichts von Kurzarbeit etc. oder fehlendem Einkommen in Notlagen kommen. Es braucht aber auch Beratung für Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Familien, die in Situationen geraten, die sie nicht alleine bewältigen können.
Als Bundesjugendkuratorium möchten wir in dieser Situation gerade auf den Alltag von jungen Menschen in prekären Lebenslagen verweisen. Es müssen auch Übergangslösungen für diejenigen jungen Menschen gefunden werden, die nicht auf verlässliche private und soziale Netzwerke zurückgreifen können.
Der Alltag von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird in den kommenden Monaten weitgehend anders verlaufen als bisher. Hier brauchen wir eine Kinder- und Jugendpolitik und eine Kinder- und Jugendhilfe sowie Schulen, die flexibel nach Lösungen suchen. Nicht zuletzt braucht es Perspektiven für die Zeit nach dieser Krise und den Übergang in die Normalität.
Dafür ist es dringend notwendig, dass die Infrastruktur der Kinder- und Jugendhilfe erhalten bleibt und freie Träger finanziell gesichert bleiben! Freie Träger sollten gerade jetzt – wenn sie in dieser Krise innovative Wege mit jungen Menschen suchen – schnell und unkompliziert finanziell unterstützt werden.
Im Vordergrund muss bei allen Maßnahmen jetzt und auch in den nächsten Wochen und Monaten die Gesundheit der jungen Menschen und ihrer Familien, aber auch die der Fachkräfte stehen. Wir können alle daran mitwirken und kinder- und jugendpolitisch entscheidend mitgestalten, wie Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene diese Krise in den kommenden Monaten bewältigen werden.
Kontakt: Deutsches Jugendinstitut e. V.
Arbeitsstelle Kinder- und Jugendpolitik
Anna Schweda und Philipp Zankl
Tel: +49(0)89 62306-353
E-Mail: bundesjugendkuratorium@dji.de