„Nein!“ – unter diesem prägnanten Titel hat Dietmar Peter eine Arbeitshilfe mit Unterrichtsbausteinen zum Thema „Menschenfeindlichkeit“ für die Sekundarstufe I verfasst. Wann für ihn der Punkt gekommen ist, „nein“ zu sagen, erklärt der Stellvertretende Rektor des RPI im Interview.
Sie sagen, Abwertung und Ausgrenzung sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Woran merken Sie das?
Es scheint in dieser Zeit selbstverständlicher geworden zu sein, öffentlich ethnische, religiöse oder politische Minderheiten zu diskriminieren und abzuwerten. Beispiele gibt es mehr als genug: So wird eine Bewerberin wegen ihres fremd klingenden Namens gar nicht erst zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen oder ein Bundestagsabgeordneter bekennt sich in den Medien dazu, einen farbigen Fußballer nicht als Nachbarn haben zu wollen. Ich habe nicht erwartet, dass sich ein Aufsichtsratsvorsitzender eines großen Fußballvereins in einem Vortrag beim Tag des Handwerks in ausgesprochen abfälliger Weise über Menschen aus Afrika äußert. Und schließlich möchte eine populistische Partei im Bundestag die Gesellschaft spalten, indem sie zwischen „Uns“ und „den Anderen“, man könnte auch sagen: zwischen „den Guten“ und „den Schlechten“, unterscheidet. Vieles davon wäre vor einigen Jahren undenkbar gewesen.
Wo liegen für Sie die Ursachen?
Wenn das so einfach wäre ... Grundlage aller Ausgrenzungen und Abwertungen ist eine Ideologie der Ungleichwertigkeit. Machen Menschen sich diese Ideologie zu eigen, schreiben sie Menschen aufgrund bestimmter Merkmale einen geringeren Wert zu. Diese Merkmale sind z.B. das Geschlecht, die ethnische und kulturelle Herkunft, die sexuelle Orientierung, Behinderung, Arbeitslosigkeit oder etwa die Religionszugehörigkeit. Daraus leiten sie dann Kriterien einer Abwertung „der Anderen“ ab, die zur eigenen Aufwertung führen. Häufig sind die Bedürfnisse dieser Menschen nach Sicherheit und Anerkennung nicht erfüllt und sie haben negative Erwartungen an die eigene Zukunft. Sie fühlen sich benachteiligt, wenn es beispielsweise um die Verteilung von Ressourcen, um politische Macht, Einfluss, den Zugang zu Bildung oder ganz basal um Wohnraum geht. In diesem Zusammenhang sind Politik und Kirchen in besonderer Weise gefordert.
Soll die Schule nun wieder retten, was im Elternhaus oder anderswo verbockt wurde?
Unabhängig von der Erziehung im Elternhaus hat die Schule den Auftrag, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, an der Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft mitzuwirken. An einer Schule haben Abwertung und Ausgrenzung keinen Platz. Allerdings wird keine Schule die genannten Ziele durch bloße Theorie erreichen. Meines Erachtens ist eine wesentliche Aufgabe der Schule, Kinder und Jugendliche in ihrem Engagement für Demokratie, Gerechtigkeit und Toleranz zu stärken und ihnen vielfältige Möglichkeiten der Teilhabe und Partizipation im Schulleben anzubieten. So wird Schule zu einem Präventionsort. Hier können sich Schülerinnen und Schüler mehr für das Leben und das respektvolle Zusammenleben abholen, als es sich allein in den Noten ausdrückt.
Was kann der Religionsunterricht da leisten? Erreicht er junge Menschen, die andere auf dem Schulhof als „Neger“ oder „Jude“ beschimpfen?
Ob ein Unterricht Schülerinnen und Schüler und Schüler erreicht, hängt von der Person der Lehrkraft und der Qualität ihres Unterrichts ab. Das wissen wir nicht erst seit der Studie des Bildungsforschers John Hattie. Im guten Religionsunterricht haben junge Menschen die Möglichkeit, ihre jeweiligen Lebensentwürfe einzubringen, zu diskutieren und ihr Verhältnis zu anderen Menschen zu reflektieren. Sie erfahren durch eine wache Religionslehrkraft, dass der Mensch nach christlichem Verständnis Geschöpf Gottes ist und sie selbst zu verantwortlichem Handeln in der Gemeinschaft gerufen sind. Dieses alles mit einem starken Bezug zu ihrer eigenen Lebenswelt. Dafür ist die in dieser Frage geschilderte Situation eine Steilvorlage und hier setzt auch meine Arbeitshilfe an.
Dietmar Peter: „Nein“ – Unterrichtsbausteine zum Thema „Menschenfeindlichkeit“ für die Sekundarstufe 1 (Loccumer Impulse 17), 116 Seiten, 14,80 Euro.www.rpi-loccum.de/li17