Auf vielen Schulhöfen sind judenfeindliche Sprüche zu hören. Die Kirchen in Niedersachsen wollen nun etwas dagegensetzen: Mit einem Gütesiegel belohnen sie Schulprogramme gegen Antisemitismus - zunächst allerdings nur an kirchlichen Schulen.
Hannover, Osnabrück. Mit einem neuen Gütesiegel können kirchliche Schulen künftig ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Die Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und die Schulstiftung im katholischen Bistum Osnabrück haben das Siegel initiiert. „Wir wollen damit nach außen zeigen, dass wir dieses Thema sehr ernst nehmen“, sagte Pastor Gerd Brinkmann, Leiter des Evangelischen Schulwerks der hannoverschen Landeskirche, am Freitag bei der Präsentation des Siegels. „Auch auf unseren Schulhöfen gibt es leider judenfeindliche Äußerungen.“
Evangelische und katholische Schulen könnten ihre bereits bestehenden Initiativen zur Bekämpfung von Antisemitismus bündeln, erweitern und verbindlich machen, ergänzte Winfried Verburg, Vorstand der Schulstiftung im katholischen Bistum Osnabrück. Er gehe davon aus, dass dies nicht mehr im „Corona-Jahr“, sondern eher bis zum Ende des kommenden Schuljahres geschehe. „Dann könnten die ersten Schulen so weit sein.“ Auf welche Weise auch staatliche Schulen das Siegel beantragen können, soll noch geklärt werden.
Um das Gütesiegel verliehen zu bekommen, müssen mehrere Kriterien erfüllt sein: So soll jeder Schüler während seiner Schulzeit eine Synagoge besuchen und jüdischen Menschen begegnen. Auch der Besuch einer Gedenkstätte für ein Konzentrationslager, die Lektüre eines Buches zum Holocaust sowie die Gestaltung eines jährlichen Gedenktages gehören zum Katalog. Die politische Lage im Nahen Osten und der israelbezogene Antisemitismus sollen verpflichtend im Geschichts- oder Politikunterricht vorkommen.
Ein besonderer Akzent soll im Religionsunterricht gesetzt werden: Hier erwarten die Initiatoren dem Konzept zufolge „eine Korrektur der üblichen Behandlung des Judentums als eine weitere Weltreligion“. Vielmehr sei das Judentum für Christen das Fundament des eigenen Glaubens.
Zu den Anforderungen gehören außerdem die Benennung eines schulischen Antisemitismus-Beauftragten, Fortbildungen für Mitarbeitende der Schule sowie Regelungen, wie gegen antisemitische oder andere religiös diskriminierende Äußerungen und Handlungen an der Schule vorgegangen werden soll.
Das Angebot in Schulkiosken und Mensen soll um koschere Nahrungsmittel ergänzt werden, sofern es jüdische Schüler an der Schule gibt. Im Schulgebäude soll der jüdische Festkalender sichtbar sein, die Feiertage sollen zudem beim Klausurenplan oder bei Elternabenden berücksichtigt werden. „Es ist nicht sinnvoll, Klausuren beispielsweise an Jom Kippur anzusetzen, wenn für jüdische Schüler ein striktes Arbeitsverbot gilt“, erläuterte Verburg.
Das runde Gütesiegel zeigt vier verschiedenfarbige Arme, die in Form eines Davidssterns ineinandergreifen, dazu den Schriftzug „Zusammen gegen Antisemitismus“. Eine Jury, bestehend aus Vertretern der christlichen Kirchen, des Zentralrats der Juden und der Universitäten, entscheidet über die Vergabe.