"Wie wirklich ist die Wirklichkeit?"
Alfeld. Sie sind jung und wissbegierig, stehen kurz vor der Ausbildung oder der Universität. Wie aber fühlt sich so eine Vorlesung an der Uni an? Einmal im Jahr können die Schülerinnen und Schüler der Berufsbildenden Schulen Alfeld (BBS) Hochschul-Luft schnuppern, wenn in der Reihe „BBS-Lectures“ die Universität in die Alfelder Aula geholt wird. Auf Einladung des evangelischen Schulpastors Dr. Matthias Günther und seines katholischen Kollegen, Hans Potthast, referierte zum ersten Mal ein katholischer Theologe: Prof. Dr. Alois Stimpfle vom Institut für Katholische Theologie an der Leibniz Universität Hannover führt anschaulich in das Thema „Wie wirklich ist die Wirklichkeit?“ ein, das die Schülerinnen und Schülern zu einer lebhaften Diskussion animierte.
Ein Thema, das auf den ersten Blick paradox anmutet, weil Wirklichkeit - wenn es sie denn gibt - ja auch wirklich sein muss. Wie leicht diese vermeintliche Wirklichkeit aber beeinflussbar ist, verdeutlichte Stimpfle anhand mehrerer Beispiele. Wie den Kippbildern, bei denen oft zwei völlig verschiedene Motive auf einem einzigen Bild erkannt werden können. Oder dem berühmten ersten Foto von einem schwarzen Loch, das am 10. April 2019 von acht bodengebundenen Radioteleskopen aufgenommen wurde. Da schwarze Löcher aber alles Licht verschlucken und daher unsichtbar sind, zeigt die Fotografie nach Ansicht von Wissenschaftlern allerdings nur den Schatten des schwarzen Lochs.
Jeder Mensch habe seine eigene Brille, mit der die Wirklichkeit wahrgenommen wird, sagte der Professor: „Auch Religionen wollen mit Bildern vorstellbar machen; was nicht einfach so da ist.“ Sinnbild dafür seien dafür beispielsweise die Symbole des Kreuzes für das Christentum oder der Davidstern für das Judentum.
Kritisch setzte sich der Professor mit der technisch orientierten, wissenschaftlich geprägten Sichtweise auf die Welt auseinander. Zwar seien im Schulbetrieb Fächer der Naturwissenschaften ebenso wichtig wie Deutsch oder Mathematik. Eine wichtige Rolle nähmen aber auch die Werte und Normen ein: „Denn auch die sind im Leben wichtig.“ Im Gegensatz zu früher, als Pastor und Lehrer als Autoritäten galten, hätten es die jungen Leute heutzutage aber wegen der Vielzahl an Angeboten und Influencern schwerer, Normen und Werte zu erkennen. Eines dieser Angebote ist und bleibe die Religion: „Vertrauen ist ein anderer Begriff für Glauben.“
Text: Peter Rütters, Kirchenkreis Hildesheimer Land – Alfeld