Kurz vor den Sommerferien blickt die Rektorin des RPI Loccum, Prof. Dr. Silke Leonhard, zurück auf ein bewegtes Jahr, auf eine neue Normalität nach Corona und dennoch in der Krise – und auf die Bedeutung, die dem Religionsunterricht in diesem Setting zukommt.
Das vergangene Schuljahr könnte man als Übergang in eine Nach-Corona-Normalität bezeichnen. Vor welchen Herausforderungen standen die Lehrkräfte?
Nach Corona merkt die Schule: Es geht nicht so weiter wie bisher. Lehrkräfte haben mit der Aufarbeitung von Lerninhalten zu tun, aber mindestens ebenso mit den Veränderungen, die sich für die Schüler*innen ergeben haben. Das betrifft die psychische Lage von Kindern und Jugendlichen, die nicht einfach wegstecken, drei Jahre in digitalen oder Abstandssettings gelernt und damit auch gelebt zu haben. An den Schulen sind die Voraussetzungen sehr unterschiedlich; das macht sich auch bemerkbar, wenn es zu Wechseln kommt. Die digitale Entwicklung hat unglaublich Fahrt aufgenommen; innerhalb des letzten Jahres hat das Erscheinen von ChatGPT zu Fragen nach Wirklichkeit, Authentizität, Selbstwirksamkeit und Eigenleistung geführt. Die drängende Frage ist: Wie kann man noch bzw. wieder von „Normalität“ reden? – eine Irritation im großen Sinne. Viele Lehrkräfte sind erschöpft nach dieser Zeit und aufgrund der vielen Veränderungen; sie brauchen Mut und Stärkung. Die Schulleitungen müssen reagieren, spüren aber genau, dass es eigentlich neue Perspektiven für das Schulsystem braucht. Diese werden aber erst nach und nach entwickelt. Der Blick in die Zukunft hat viele Fragezeichen und braucht Offenheit und Visionen, wie Schule auch anders weitergehen kann.
Bestimmende Themen waren außerdem der Ukraine-Krieg und die Klimakrise. Welche Bedeutung kommt hier dem Religionsunterricht zu?
Die Klimakrise geht vielen Jugendlichen nahe, weil sie ihre eigene Zukunft und die ihrer Generation verschärft betrifft. Und durch den Krieg begegnen sie Geflüchteten, die in ihre Schulen kommen. Diese als Krisen-Zeit wahrgenommene Gegenwart bringt ein Meer an Zukunftsängsten und Sorgen von Kindern und Jugendlichen mit sich. Mit dem Religionsunterricht haben wir zum Glück einen Raum, in dem Kinder und Jugendliche diese äußern, sich dazu austauschen und mit Lehrkräften nach Ankern suchen können.
Der Religionsunterricht kann zudem als Schulfach politische Ethik und Friedensbildung aufnehmen. Damit trägt dieser Unterricht auch dazu bei, eine eigene Haltung zu finden – und verdeutlicht zugleich, dass dieser Weg zu einer Haltung nie ohne Widersprüchlichkeit geht. Religionsunterricht kann für den Kontakt mit Natur sensibilisieren und einen sorgsamen Umgang mit Schöpfung und der Welt fördern – und dabei vor allem fragen, wo und wie Gott dabei ist. Hier knüpft er an die Lebensgestaltung von Kindern und Jugendlichen an.
Jürgen Moltmann hat die Zukunft, die wir aktiv gestalten, unterschieden vom Advent, bei dem uns auch Unverfügbares entgegenkommt. Den Schüler*innen für das Verhältnis von Zukunft und Advent Mut und Hoffnung mitzugeben, darauf kommt es an.
Wie hat das RPI Lehrerinnen und Lehrer in dieser Zeit unterstützen können?
Wir konnten viele digitale Angebote machen für diejenigen, die aufgrund der herausfordernden Schulsituation sehr eingespannt waren. Was uns sehr freut, ist die Nutzung der präsentischen Fortbildungen und auch größerer Konferenzen vor Ort – viele haben sich gefreut, in Loccum nicht nur inhaltliche Fortbildung, sondern auch Raum und Zeit für Atemholen und Rekreation zu erleben. Etliche Beratungsarbeit war nötig, und neue Materialien in mehreren Bereichen von Grundschule bis BBS konnten wir bereitstellen. Das hat zu viel positiver Resonanz geführt.
Wichtig ist der Blick nach vorn: Auf unserer Homepage – und vor allem auf ihren Unterseiten zu den unterschiedlichen Bereichen – stellen wir auch während der Ferien Impulse und Materialien für die Arbeit im neuen Schuljahr bereit. Aber Religion heißt ebenso: Unterbrechung. Wir wünschen allen daher eine frohe, sommerliche Pausenzeit!
Öffentlichkeitsarbeit des RPI Loccum