Barbara Liliana Prinzing hat mit ihrem Poetryslam-Beitrag „Zeit für die Nachrichten“ den Wettbewerb „Stimmen der Krise“ für Schülerinnen und Schüler in der Region gewonnen. Fünf weitere Schüler*innen trugen im Literaturhaus St. Jakobi ihre Redebeiträge vor, daneben wurden auch Social-Media-Beiträge gezeigt. „Wir sind hier, um Euch zuzuhören“, sagte zu Beginn Mit-Organisator und Berufsschulpastor Dirk Bischoff zu den Teilnehmenden und den mehr als 150 Schülerinnen und Schüler im Literaturhaus. Eine Jury prämierte drei Rede- und drei Social-Media-Beiträge.
Einen Sonderpreis erhielt Hala Alaidi. Die Zehntklässlerin der Robert-Bosch-Gesamtschule sprach in ihrem Beitrag „Mein letztes Testament werde ich nicht schreiben“ von ihren eigenen Fluchterlebnissen als Kind: „Der Morgen beginnt mit dem Geräusch von Bombenangriffen, die man für ein Erdbeben hält und sich dann herausstellt, dass es doch keins war. Denn nichts ist so, wie es war.“ Sie habe selbst den Tod mit eigenen Augen ansehen müssen. „Ich weiß und bin sicher, dass ich überlebt habe, um für mich und andere Menschen eine große Hilfe zu werden. Meine Geschichte wird hier nicht enden.“ Für diese eindrucksvolle Schilderung schuf die Jury kurzerhand einen Sonderpreis.
Auch die Siegerin, Barbara Liliana Prinzing, beschäftigte sich mit weltweiten Krisen und deren Wirkung auf die eigene Person. Und der inneren Vermeidung, „Zeit für Nachrichten“ zu haben. Mit vielen Tempi- und Perspektivwechseln, gereimt und ungereimt, nahm die Schülerin die Zuhörenden auf eine Reise in ihre Gedanken: „Denn jetzt gucke ich in die Nachrichten rein und was ich sehe, ist Schmerz. Schmerz und Leid und Leid und Schmerz eine Krise, die die andere jagt.“ Dabei hilflos, übermannt von den großen Krisen auf der Welt – und den eigenen: „Es macht mir Angst, dass ich unfassbar gerne Kinder hätte, aber mich heute frage, ob ich mit gutem Gewissen ein Kind in diese Welt setzen kann.“
Mit dem Thema Krieg setzte sich auch der Zweitplatzierte, Delian Flessel, auseinander: „Im Gegensatz zu den Heldengeschichten ist der Krieg in der Realität nicht nüchtern und logisch, es gibt kein klar getrenntes Gut und Böse, sondern nur Chaos und Leid für alle Beteiligten.“ Flessel beschäftige sich seit Jahren mit Militärtechnik, doch die realen Bilder des Krieges überschatteten das angeeignete Wissen um militärische Geräte. „In unseren Köpfen ist der Krieg zur Normalität geworden, an der man nichts ändern kann.“
Krieg, Hass, Naturkatastrophen: Die Drittplatzierte, Antonia Blaich, ging in ihrem knappen, lyrischen Monolog auf die vielen Krisen ein, die die Jugendlichen erleben. „Ich weiß nicht warum, aber mir ist kalt. Wie immer. Es ist die Kälte, die in den Knochen bleibt, die das Herz umschließt, und einem den Atem und die Gedanken raubt.“ Und der Furcht, all diesen nichts entgegensetzen zu können. „Ich habe Angst vor der Kälte der Ahnungslosigkeit.“
Nach den Wortbeiträgen wurden auch die Präsentationen der Social-Media-Beiträge prämiert. Hier setzte sich der „einsame Reisende“ gegen weitere Beiträge durch. Mit einer Instagram-Geschichte eines Eisbären wollten die Zehntklässler der St.-Augustinus-Schule sich dem Thema Nachhaltigkeit und Zerstörung des Lebensraums. Wir versuchen mit vielen Aktionen, die Welt zu retten, aber es liegt auch in unserer Verantwortung, diese wieder in Ordnung zu bringen, sagte einer der Schüler nach der Präsentation.
Andere Gruppen gingen mit selbstgedrehten Videos thematisch auf durch falsche Kommunikation entstehenden Beziehungskrisen ein.
„Wir sind den Krisen nicht völlig ausgeliefert und es gibt aktive Wege, mit ihnen umzugehen. Texte schreiben, Bilder machen. Deshalb waren wir hier, weil ihr diese Fähigkeiten schon besitzt“, so Moderatorin Winnie Wilka.
Mehr als 250 Schülerinnen und Schüler aus dem Raum Hildesheim hatten sich mit dem Thema in Rede- und Social-Media-Beiträgen auseinandergesetzt. Rund 50 wurden davon bei dem Wettbewerb „Stimmen der Krise“ eingereicht, der in Kooperation vom Literaturhaus St. Jakobi, dem Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt und dem Sprengel Hildesheim-Göttingen entstanden war.
Die Jury des Wettbewerbs bestand aus dem ehemaligen Superintendenten des Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt, Mirko Peisert, der Landtagsabgeordneten Antonia Hilberg, Johannes Krupp von den Hildesheim Invaders sowie Thomas Klupp, Dozent für kreatives Schreiben an der Uni Hildesheim.
Hildesheim im November 2023
Gunnar Möller