Bild: Jens Schulze

Newsletter August 2024

06. August 2024

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

„Was machen Sie denn hier?“, fragte mich verblüfft eine BBS-Religionslehrerin, als sie mich beim OYAK, dem abendlichen Treffpunkt von Taizé, entdeckte. Ich hatte eine Einladung von Bruder Paolo, nach Taizé zu kommen, angenommen und war neugierig auf das, was ich mich dort erwarten würde. Denn „ich war schon mehrmals in New York“, aber noch nie in Taizé. Die Lehrerin erklärte mir, dass sie immer wieder in den Sommerferien mit einer Gruppe nach Taizé fahre und bewusst eine Unterkunft im Zelt wähle. So wolle einmal im Jahr „so richtig geerdet“ sein. Auch mich hat Taizé geerdet, wenn ich auch nicht im Zelt geschlafen habe.

Taizé ist ein Ort im Burgund, in dem 1940 der reformierte Theologe Roger Schutz aus der Schweiz ein leerstehendes Haus kaufte, um Flüchtlingen zu helfen. 1942 wurde sein Tun an die Gestapo verraten, er musste zurück in die Schweiz, kam aber 1944 erneut mit dem Gedanken nach Taize, eine klösterlich-brüderliche Gemeinschaft zu gründen. Diese Gemeinschaft entwickelte sich über Jahre hinweg zu einer ökumenischen mit dem Ziel, die Trennung der Kirchen zu überwinden, Menschen in Notlagen zu helfen und weltweit für Frieden und Versöhnung einzutreten. Seit den 1950er Jahren kamen immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene nach Taizé, um dort am geistlichen Leben der Gemeinschaft teilzuhaben, die Bibel zu studieren, Menschen aus aller Welt zu begegnen und sich zu vernetzen. Es kommen Gemeindegruppen, Schulklassen, Studierendengruppen oder Einzelne und heute auch Familien. 

In Taizé gibt es einen klar geregelten Tagesablauf mit drei Gebetszeiten mit jeweils einer langen Phase des Schweigens, einer morgendlichen Bibelarbeit und nachmittäglichen Workshops zu biblischen Themen. Übernachtet wird in großen, rustikalen Blockhäusern oder Zelten. Das Essen ist einfach. WLAN gibt es dreimal täglich für 45 Minuten und wenige Steckdosen, aber es findet sich meist eine freie. Die Jugendlichen, während meiner Zeit waren es rund 1000, haben sich auf dieses eher monastisch geprägte Leben richtig eingelassen, genauer aber lassen sie sich in Taizé auf sich selbst und andere ein und entdecken vielleicht den Glauben als Dimension in ihrem Leben. Die Ruhe und Nachdenklichkeit, die Fröhlichkeit und Kreativität, das Engagement und Miteinanderreden bis tief in die Nacht waren beeindruckend.  

Geerdet hat mich in besonderer Weise der Dienst als Seelsorgerin am Abend, um den mich die Brüder gebeten haben. Es kamen Jugendliche, junge und nicht mehr so junge Erwachsene mit ihren oftmals großen Sorgen und Nöten, mit ihrer Angst vor der Zukunft, mit Krankheiten und Beziehungsproblemen. Sie kamen auch mit vielen Fragen zum Glauben. Dabei ging es zumeist darum, wie der Glauben dem eigenen Leben Sinn und Halt, Trost und Hoffnung geben, und auch wie eine Frömmigkeitspraxis im Alltag aussehen kann. Es machte keinen Unterschied, ob Menschen aus Berlin, Bukarest oder einem brasilianischen Dorf kamen. Mich haben diese Gespräche sehr berührt und sehr nachdenklich werden lassen.

In meinem beruflichen Alltag sind seelsorgliche Gespräche und tägliche Begegnungen mit Jugendlichen aus aller Welt eher selten, aber unsere Abteilung steht für die kirchliche Arbeit mit Schule, Bildung, Kindern und Jugendlichen. Es ist unsere Aufgabe, diese Arbeit in den unterschiedlichen Feldern und mit den unterschiedlichen Facetten von Grundschule bis Hochschule, von evangelischer Jugendverbandsarbeit über Konfirmand*innenarbeit bis zum Mentorat für Lehramtsstudierende, von Schulseelsorge, Familienbildungsstätten bis Freizeiten im Stadtpark zu fördern und zu stärken und last but not least für sie in kirchlichen Gremien und Einrichtungen einzutreten. Wir stehen für Strukturen, Finanzen, Personal und Konzepte, damit mit Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen und Familien in Kirche ebenso wie in Schule gearbeitet, gelebt und gebetet werden kann. Es ist unsere Aufgabe gemeinsam mit allen, die in Kirche Verantwortung tragen, der Fülle des Lebens in Kirche einen geschützten Raum zu geben, spirituelle Erfahrungen zu eröffnen und für die Menschlichkeit eintreten. Nach meinen Begegnungen in Taizé weiß ich noch einmal neu, warum wir uns dafür so sehr als Abteilung weiterhin einsetzen werden und damit auch für Ihre Arbeit in Schule, Gemeinde und Hochschule. Herzlichen Dank für alles, was Sie tun und weiterhin tun werden. Ohne Sie gäbe es diese kirchliche und schulische Arbeit konkret und vor Ort nicht.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen im Namen aller Mitarbeitenden der Abteilung einen guten Wiederanfang nach der Sommerpause, einen guten Start ins neue Schuljahr, in ein neues Programm für Kinder, Jugendliche oder Familien und noch später ins neue Semester

Ihre

Kerstin Gäfgen-Track

P.S. Einer befreundeten Religionslehrerin habe ich vorgeschlagen, mit Jugendlichen aus der Oberstufe nach Taizé zu fahren. Sie fürchtete, dass sie damit nicht ankomme, denn an ihrer Schule gingen die Fahrten nach London, Paris oder Madrid. Das sei attraktiv, wenn auch sehr teuer. Ich finde, das Angebot einer Fahrt nach Taizé wäre einen Versuch wert, natürlich auch für Gemeinde und andere Gruppen.