Unionproject - stock.adobe.com/EMA

„Wir haben alle Zukunft“ - Eindrücke vom Schülerforum

05. Dezember 2024

Von der Zerbrechlichkeit des Lebens – und der Hoffnung auf eine gute Zukunft

Von Meditation bis Seenotrettung, von Selbstverteidigung bis zur Kühlschranktemperatur: Das Schülerforum der Landeskirche bietet vielfältige Themen unter dem Motto „Du hast Zukunft.“ an und lockt 1.600 Jugendliche nach Hannover.

Mehr als 1.600 Schülerinnen und Schüler, dazu eine große Zahl an Lehrerinnen und Lehrern, haben am 4. Dezember beim Schülerforum der Landeskirche vielfältige Entdeckungsreisen machen können. Von Selbstverteidigung bis Seenotrettung, von Schulreform bis Selbstfindung gab es Workshops, hochkarätig besetzte Diskussionen und viele Infostände. 

„Wir sind neugierig auf euch und haben uns als Kirche sehr auf euch gefreut“, ruft Oberlandeskirchenrätin Dr. Kerstin Gäfgen-Track, die Leiterin der Bildungsabteilung der Landeskirche, den Eintreffenden zu Beginn des Tages zu. Dann spielt Band Base, die Band der Jugendkirche Hannovers, auf der Hauptbühne „Fragile“ von Sting, einen leisen Song über die Zerbrechlichkeit des Lebens. Darüber spricht auch Landesbischof Ralf Meister in seinem Grußwort. „Wir müssen umgehen lernen mit unseren zerbrechlichen Leben“, sagt Meister. „Geht auf Eurem Weg auch mit Fehlern so um, dass sie sichtbar sind – dann wird am Ende Gott darin sichtbar, und der sieht uns liebevoll an.“

Was jede und jeder tun kann, um auf dem nicht immer leichten Weg durch die Schule weniger zerbrechlich zu sein, zeigt ein Besuch im Meditations-Workshop. Ein grüner Quader illuminiert mit pulsierenden LED-Lichtwellen den ansonsten verdunkelten Seminarraum. Um die faszinierende Lichtquelle herum hocken 27 Schülerinnen und Schüler auf dicken Kissen und lauschen mit geschlossenen Augen einer angeleiteten Meditation. „Du fühlst Dich immer leichter, immer freier“, sagt eine Frauenstimme aus dem Lautsprecher. „Hier gibt es keine Zeit, keine Eile, keine Dringlichkeit. Du kannst alles loslassen, was Dich belastet.“ 

Katja, Joy-Leonie, Jonas und Kilian von der KGS Pattensen haben die ganz besondere Traumreise mitten in den Ozean, zu Belugawalen und Meeresschildkröten selbst aufgesprochen. Auch eine Gesangsmeditation, Texte und Mandalas zum Ausmalen haben sie vorbereitet. Das alles soll den Teilnehmenden helfen, ihr Stresslevel zu senken und solche Techniken auch in ihr Schulleben mitzunehmen. „Ich glaube, das ist wirklich wichtig“, sagt Katja Mehrholz-Ritter. Die 18-Jährige war mit ihrer Schule kürzlich in einem Kloster – und diese Erfahrung hat sie bewogen, auch anderen die dort erlebten Impulse zu vermitteln. Ihre Hoffnung: Vielleicht könnten so der Leistungsdruck, die hohen eigenen Erwartungen und auch die der Eltern weniger hart auf den Schultern der Jugendlichen lasten.

„Worüber hast Du Dir zuletzt Sorgen gemacht?“, fragt passend dazu Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD). Die 28-Jährige zitiert eine aktuelle Studie, nach der neben Krieg und Klimakrise die Sorge um Schulleistungen eine enorm hohe Belastung für Jugendliche darstellt. „Was kann ich überhaupt schultern?“, will Heinrich wissen. Und gibt den Teilnehmenden ihre eigene Sicht mit: „Ich bin Team Unverzagt. Nicht weil ich keinen Grund zur Sorge hätte. Aber weil Gott im Futur Zwei spricht – und wir deshalb alle Zukunft haben.“

Die schweren und die leichter verdaulichen Themen – sie alle finden beim Schülerforum Platz. Was kommt in meinem Kühlschrank in welches Fach? Zein Alabdin hält zwei Dutzend Magneten in Form von Brokkoli, Eierpackungen und Joghurtbechern in der Hand. Wer das von Zein und den anderen Schülerinnen und Schülern am Stand der Berufsbildenden Schule 2 der Region Hannover angebotene Quiz absolviert hat, weiß ganz genau, welche Lebensmittel bei welcher Temperatur gelagert werden sollten. Zein hilft dabei mit einem breiten Grinsen und einem Deutsch mit ganz feinem Akzent. Der 16-Jährige ist in Syrien geboren und aufgewachsen – er lebt erst seit einem halben Jahr in Deutschland. An seiner Schule geht er in die Sprach- und Integrationsklasse und macht mit bei der Schülerfirma. Die betreibt einen Kiosk, bietet Catering auch für private Veranstaltungen an und liefert Essen sogar mit Lastenrädern im Stadtgebiet aus.

„One, two, three“ zählt der Workshop-Leiter ein paar Meter neben dem Kühlschrank-Quiz durch sein Mikro und animiert ein knappes Dutzend Mittrommelnde zum gemeinsamen Musizieren. Alle sitzen auf Stühlen, halten große, hochformatige Trommeln in den Händen und bearbeiten sie eifrig im Takt der Musik und des Vorzählers. Der Fluss ihrer Musik geht stetig voran – und auch das Lächeln der Teilnehmenden scheint nicht enden zu wollen. Ganz schön viel Geräuschpegel für ein Event der sonst eher vorsichtigen, achtsamen Töne. Laut wird es aber auch bei Rafiki, einem interaktiven Theaterstück, moderiert von Rapper Spax. Zwei Schauspielerinnen mimen zottelige Wesen auf der Suche nach Sinn – umrahmt von faszinierenden Bildern und mit starker Beteiligung des jungen Publikums. 

Auf dem Podium zum Thema „Studium für alle – aber zu welchem Preis?“ spricht dann auch der renommierte Berliner Sozial- und Bildungsforscher Klaus Hurrelmann über die steigende Zahl junger Menschen, die unter Stress leiden. Mehr als 40 Prozent der zwischen 14- und 29-Jährigen fühlten sich einer aktuellen Trendstudie zufolge gestresst, dies sei ein „erschreckendes Ergebnis“, sagt er. Noch überwiege die optimistische Haltung unter Jugendlichen, betonte der Soziologe. Der Anteil der Stressgeplagten habe sich aber in der Corona-Zeit verdreifacht, gegenwärtig sei er noch immer doppelt so hoch wie vor der Pandemie. Er sehe eine „Generation im Dauerkrisenmodus“. 

Trotz aller Sorgen und Nöte – am Ende eines vollen Tages zieht Kerstin Gäfgen-Track ein hoffnungsvolles Fazit: „Alle, die hier waren, sollen das Gefühl haben, dass jede und jeder wertvoll und wichtig ist. Hoffentlich hatten sie eine gute Begegnung mit einem Menschen, den sie noch nicht kannten. Ich persönlich habe eine junge Frau erlebt, die sich ganz allein durchs Studium gekämpft hat und heute anderen Mut zum und Lust aufs Studium macht. Und wenn die Schülerinnen und Schüler heute das Gefühl haben, Kirche ist anders, als wir dachten, dann ist das das I-Tüpfelchen.“

Text: Alexander Notrup/Evangelische Medienarbeit (EMA)